5.3 Lichtempfindlichkeit: DSLRs und Systemkameras sind dank ihren relativ grossen Sensoren auch vergleichsweise lichtempfindlich, d.h. das Rauschen in Bildern ist sehr gering. So kann mit hohen ISO-Werten und bei geringem Licht gefilmt werden.An Video-DSLRs mit Mikrofonbuchse können auch externe Mikrofone verwendet werden. Abgebildet ist eine Canon 5D II mit einer Funkstrecke bestehend aus aufgestecktem Empfänger und Funkmikro samt Windschutz.
Filmende Spiegelreflexkameras unterscheiden sich bislang kaum von reinen Fotoapparaten und ihren allfälligen videolosen Vorgängermodellen. Allenfalls sind ein zusätzlicher Auslöser (meist für den Daumen) sowie ein weiteres Register im Menü und eine Mikrofonbuchse hinzugekommen. Was das Handling beim Fotografieren anbelangt, existieren keinerlei Unterschiede. Auch beim Filmen werden Video-DSLRs Kamera wie ein Fotoapparat bedient, was dann eben gewisse Probleme bereitet und suboptimal ist.
6.1 Live View / Sucher: Bei einer Spiegelreflex blickt der Fotograf normalerweise durch das Sucherokular über einen Spiegel direkt durch das Objektiv. Im Live-View-Modus wird der Spiegel hochgeklappt, damit das Licht auf den der Sensor fallen und es «live» als Sucherbild am LCD gezeigt werden kann. Derweil ist der optische Sucher nicht nutzbar.Mit DSLRs kann ausschliesslich im Live-View-Modus gefilmt werden, d.h. die Kamera muss in einem bestimmten Abstand vor dem Gesicht, statt direkt am Auge gehalten werden. Bei hellem Umgebungslicht kann das Sucherbild oft schlecht zu sehen und kaum zu beurteilen sein. Auch das das Verfolgen von Objekten ist in dieser Haltung schwieriger als mit der Kamera am Auge.Tipp: Hilfreich ist ein Sucherschacht mit Vergrösserungslupe (z.B. Zacuto Z Finder), der mittels Gummi- oder Klettbändern am LCD befestigt wird.
Keine Probleme gibt es bei Kameras mit elektronischem Sucher, wie er bei der Panasonic GH1 integriert ist oder als Zubehör auf die Olympus Pen E-P2 und E-PL1 oder die Panasonic GF1 aufgesteckt werden kann. Dass der Einblickwinkel bis zu 90° verändert werden kann, erhöht den Betrachtungskomfort und macht Aufnahmen aus der Bodenperspektive möglich.6.2 Fokussieren: DSLRs bieten eine schnelle automatische Scharfstellung (Autofokus, AF) dank speziellen AF-Sensoren (Phasendetektion), die typischerweise im Boden des Spiegelkastens liegen. Im Live-View-Modus erhalten diese AF-Sensoren bei heutigen DSLR-Konstruktionen kein Licht und können nicht genutzt werden. Deshalb erfolgt die Scharfstellung im Live-View-Modus mit dem eigentlichen Fotosensor (Kontrastdetektion), was jedoch vergleichsweise langsam ist. Am schnellsten stellen übrigens die Panasonic G-Modelle scharf, die als spiegellose Systemkameras voll auf die Kontrastmessung angewiesen sind.
Eine zweite Möglichkeit ist es, den Live-View-Modus für eine Schärfemessung rasch zu unterbrechen, was jedoch nur vor und nicht während einer Videoaufnahme möglich ist. Wegen der geringen Schärfentiefe ist eine genaue Scharfeinstellung wichtig, die am besten vorab erledigt wird. Bei den aktuellen Fotoapparaten kann man das Autofokus wie bei einer Kinokamera eigentlich vergessen und muss manuell die Schärfe setzen und nachführen.Problematisch wird es, wenn sich die Distanz zum Objekt während der Videoaufnahme ändert. Dafür ist das Kontrast-Autofokus oft zu langsam. Kommt das AF halbwegs mit, kann die Aufnahme dennoch unbrauchbar sein, wenn das Autofokus die Distanz nur mühsam findet oder suchend zu «pumpen» beginnt. Eigentlich müsste man die Schärfe während der Aufnahmen manuell nachführen, was jedoch enormes Fingerspitzengefühl und oft mehrere Anläufe erfordert. Tipp: Um die Schärfe manuell während Videoaufnahmen zu verstellen, hilft ein «follow focus». Dieses grosse, griffige Einstellrad wird neben der Kamera auf einer «camera rig» (siehe Bild) montiert und greift auf den Fokusring des Objektivs zu (siehe Bild). Oft wird dazu über das Objektiv ein mit dem «follow focus» mitgeliefertes griffigeres Rad gestülpt und am Fokusring festgeschraubt. Eine weisse Fläche am «follow focus» ermöglicht Markierung per Stift, um bestimmte Distanzen rasch anzuwählen.
6.3 Zoomen: Ein Zoomobjektiv ist eine feine Sache, erlaubt es doch eine stufenlose Brennweitenänderung. So muss man nicht dauernd das Objektiv oder den Standort wechseln. Ausserdem lässt sich der Bildausschnitt genau festlegen.Wie erwähnt können längst nicht alle kleinen Fotoapparate während dem Filmen auch zoomen. Bei den DSLR- und den Systemkameras ist dies zwar möglich, jedoch nur manuell am Objektiv. Eine fliessende Zoomfahrt ist so kaum machbar oder verlangt viel Erfahrung, noch mehr Gefühl und oft mehrere Anläufe. Hilfe bieten hier ein camera rig, bei dem über grossen Einstellräder (wie follow focus) oder Hebel, der Zoomring am Objektiv sanft verstellt werden kann.Vorzugsweise verzichtet man auf Zoomfahrten, wie dies auch eine alte Regel empfiehlt. Stattdessen macht man erst eine Aufnahme mit einer Brennweiteneinstellung, dann eine zweite mit der anderen Brennweite und fügt beim Videoschnitt die Szenen aneinander.
6.4 Blende und Belichtung: Während Videoaufnahmen erfolgt die Belichtungssteuerung bei allen Kameras automatisch, was nicht immer ideal ist. Über die Plus-Minus-Taste kann die Aufnahme abgedunkelt oder aufgehellt werden.Für die optimale Belichtung wählen die Kameras Blende, Zeit und ISO-Werte automatisch. Für kreatives Filmen sollte man mindestens die Blende vorwählen können, was beispielsweise bei Nikon-Kameras möglich ist. An der Canon 5D Mark II klappte dies bis zum ersten Firmware-Upgrade nur, indem Fremdobjektive mit manueller Blende montiert wurden (z.B. Zeiss ZE oder ältere Nikon mit Adapter von Novoflex oder Zörk). Zur manuellen Blende wählte die 5D Mark II die passende Zeit und ISO. Inzwischen sind bei der 5D Mark II mit dem Firmware-upgrade sowie den neueren Canon-Modellen im «M»-Modus ebenfalls manuelle Einstellung von Blende, Zeit und ISO möglich. Bei allen Kameras beträgt die längste Belichtungszeit während Videoaufnahmen allerdings eine Dreissigstel-Sekunde. Längere Zeiten sind nun mal nicht möglich, wenn für ein Video 30 Bilder pro Sekunde aufgenommen werden.
Kürzere Belichtungszeiten lassen sich beliebig wählen, doch kommt es bei kurzen Zeiten zu einem hakligen Bilderfluss – ähnlich wie beim Einsatz eines Stroboskops. Idealerweise wird mit einer Belichtungszeit von etwa einer Fünfzigstel-Sekunde gefilmt, wie ihn die klassischen Filmkameras mit Umlaufblende boten und was einen sanften Bilderfluss erzielt. Allfällige Bewegungsunschärfen in den Einzelbildern werden beim Abspielen des Films nicht wahrgenommen. (Die Umlaufblende kann man sich als rotierende runde Scheibe vorstellen, deren eine Hälfte durchbrochen ist, um in der Belichtungsphase Licht auf den Film durch zu lassen. Während der Filmtransportphase versperrt dann die andere verspiegelte Hälfte der Umlaufblende dem Licht den Weg zum Film und leitet stattdessen das durchs Objektiv einfallende Lichtbild in den Sucher.)
6.5 Handling und Haltung: Das Umschalten zwischen Foto- und Videoaufnahmemodi geschieht je nach Kameramodell- und -marke entweder über das Betriebsartenrad, einen Schalter, über die LiveView-Taste (DSLRs) oder über eine Video-Sofortstarttaste (Panasonic). Auch bei der Canon 5D Mark II lässt sich die «Set»-Taste als Soforttaste konfigurieren.In der Regel muss bei spiegellosen Systemkameras erst der Videomodus und bei Video-DSLRs Live-View aktiviert werden, bevor sich Videoaufnahmen starten lassen. Als Video-Auslöser dient eine separate oder die Live-View-Taste, die mit dem Daumen gedrückt wird. Während einer Videoaufnahme können keine Fotos geschossen werden. Nur bei der Canon 5D Mark II funktioniert dies, doch wird dabei die aktuelle Videoszene für eine lange Sekunde eingefroren.
Die Kamerahaltung im Live-View-Modus ist nicht unbedingt ideal für ein sanfte und präzise Kameraführung. Grosse Objektive fallen dabei besonders negativ ins Gewicht. Filmen aus freier Hand ist zwar möglich, bringt aber bei Tele- und im Makroaufnahmen kein befriedigendes Resultat.6.6 Mikrofonanschluss: Originalton ist für Videoaufnahmen essentiell. Deshalb verfügen alle Kameras über ein internes Mikrofon, das sich auch abschalten lässt. Wie bei den Videocamcordern ist das interne Mikro jedoch eine Notlösung. Oft nimmt es auch Kamera- und Bedienungsgeräusche auf. Für optimale Tonqualität sollte deshalb ein externes Mikro verwendet werden, doch leider besitzen nicht alle Kameras eine Standardbuchse. Bei einfachen Kompakt- und Bridge-Kameras fehlt der Anschluss komplett.
6.7 Aufnahmedauer: Selbst wer eine gigantische Speicherkarte verwendet, kann nicht beliebig lange drauflos filmen. Eine Einschränkung gibt es, weil die FAT32-formatierten Speicherkarten maximale Dateigrössen von 4 GB erlauben.Dann existieren noch EU-zolltechnische Einschränkungen, wonach Geräte mit einer Aufnahmedauer von 30 Minuten und mehr anders klassiert und höher taxiert werden. Die Panasonic-Kameras nehmen deshalb maximal Videos von 29 Minuten und 59 Sekunden Länge auf. Bei den Canon-Kameras beträgt die maximale Aufnahmedauer von HD-Videos 12 Minuten, während sich Olympus auf 7 Minuten und Nikon auf 5 Minuten beschränkt. Bei kleineren Videoauflösungen sind jeweils längere Videoclips möglich. Wird die maximale Dauer erreicht, stoppt die Aufnahme. Eine neue kann sogleich gestartet werden.